Eine Sprache für religiöse Erfahrungen
Er ist Priester, Ordensmann und einer der inspirierendsten spirituellen Lyriker im deutschsprachigen Raum. Seit 2005 arbeitet Andreas Knapp (*1958) als Packer am Fliessband und lebt mit vier Mitbrüdern in einer Plattenbausiedlung am Stadtrand von Leipzig, im säkularisierten Osten Deutschlands, fast 90% der Bevölkerung sind religionslos. Einer seiner Mitbrüder arbeitet als Hilfspfleger bei einem Behinderten, ein anderer ist Gefängnisseelsorger. Zudem schreibt Andreas Knapp Gedichte und engagiert sich an zwei Tagen der Woche ehrenamtlich als Schulseelsorger. Seit vielen Jahren bemühe er sich, resümierte Andreas Knapp jüngst in einer Gastvorlesung in Innsbruck, „für meine religiösen Erfahrungen eine Sprache zu finden. Gerade der Kontext in dem ich lebe, fordert mich heraus, über meinen Glauben noch einmal anders nachzudenken und manchmal auch um ihn zu ringen. Wie kann ich in einem Umfeld, das mit dem religiösen Sprachspiel nicht mehr vertraut ist, von meinen religiösen Erfahrungen reden? Worte wie ‚Verheissung, Gnade, Heilig, Huld‘, das sind Fremdworte.“ Gedichte, so setzte Andreas Knapp in Innsbruck hinzu, seien ein tastender Versuch, die Sprachlosigkeit zu überwinden, die grossen und kleinen Wunder des Lebens wieder neu zu entdecken. Dabei ist ihm nur allzu bewusst: „Gott ist keine Vokabel, die das Kreuzworträtsel unseres Lebens löst. Wort mit vier Buchstaben … als Antwort auf alle Fragen. – Gott ist keine Zauberformel. Sondern ein Wort der Hoffnung, dass das Ungelöste unseres Lebens einen Raum findet.“
wo bist du
ich rudere
zu gott
ins uferlose
ich greife
nach gott
ins unfassliche
ich schreie
nach gott
ins unerhörte
ich spähe
nach gott
im aussichtlosen
ich brenne
nach gott
noch im erloschenen
(Quelle: TBI-Newsletter 1/16, "Eine Sprache, im heute zu glauben" von Christoph Gellner)