«Zwischen Privatsache und Sparpotenzial»

Zahlreich strömten sie am vergangenen Samstag ins Lassalle-Haus, unsere Gönnerinnen und Gönner, um den verregneten Tag mit interessanten Inhalten und anregenden Gesprächen zu füllen. Der Vortrag von Prof. Dr. med. Eckhard Frick SJ vermochte mit seinen pointierten Thesen das Publikum mitzureissen. Der Inhaber des ersten Lehrstuhls für Spiritual Care an der Ludwigs-Maximilian-Universität in München zeigte auf, dass in der Schnittstelle zwischen Spiritualität und Medizin ein grosses Potenzial liegt – sowohl im medizinischen als auch im ökonomischen Sinn. Spätestens seit die Weltgesundheitsorganisation WHO in ihrer Definition von Gesundheit neben dem Körper, der Psyche und dem sozialen Umfeld auch die spirituelle Dimension anerkennt, ist letztere in den Fokus der medizinischen Berufe gerückt.

Angst vor Pathologisierung

Spiritualität – also die Glaubens- und Wertvorstellungen eines Patienten – wird immer noch vorwiegend als Privatsache angeschaut. Dabei haben diverse Studien gezeigt, dass im Gebiet der palliativen Medizin die Kosten für spirituell zufriedene Patienten deutlich niedriger sind als im Durchschnitt. Wenn der Arzt den Aspekt der Spiritualität nicht wenigstens im ersten Gespräch anspricht, kann dies eine verpasste Chance darstellen.
Eine Genfer Studie mit ambulanten Psychiatrie-Patienten hat ebenfalls die Vorteile einer spirituellen Anamnese aufgezeigt. Häufig trauen sich die Patienten nicht, von ihren spirituellen und religiösen Erlebnissen zu erzählen, aus Angst, diese würden pathologisiert. Wenn der Arzt aber in seinem Erstgespräch diese Punkte anspricht, verbessert sich die Arzt-Patienten-Beziehung markant, die Patienten fühlen sich ganzheitlicher wahrgenommen, und die Behandlung kann gezielter erfolgen. Eines der Hauptaufgaben im Gebiet der Spiritual Care wird demnach die Sensibilisierung von Ärzten und Pflegenden, ohne falsche Scheu auf ein Thema einzugehen, das bei den Patienten grosse Ressourcen frei machen kann.