Interview mit Dieter Wartenweiler, neuer Zen-Lehrer im Lassalle-Haus
"Zen ist eine eigentliche Lebensschulung"
Dieter Wartenweiler ist dieses Jahr als neuer Zen-Lehrer zum Lassalle-Haus gestossen. Der Schüler von Niklaus Brantschen war bereits im Lassalle-Institut als Dozent tätig und engagierte sich als Mitorganisator der „Japanreise auf den Spuren von Pater Lassalle“ und in der Vorbereitung der internationalen Konferenz „Zen im Westen“, welche diesen Sommer stattfinden wird. Wir nehmen dieses Interview zum Anlass, Ihnen Dieter Wartenweiler etwas näher vorzustellen, und heissen ihn herzlich willkommen.
Dieter Wartenweiler, was bedeutet Zen für Sie?
Zen ist ein wunderbarer Weg zu innerer Weisheit und eine eigentliche Lebensschulung. Im stillen Sitzen werden wir frei von vielen Verstrickungen, nehmen die Umwelt unvoreingenommen wahr und unser Handeln wird ganzheitlich bezogen. Mir hat Zen manche innere Erfahrung, eine tiefe Verankerung und Frieden geschenkt.
Welche war Ihre erste Begegnung mit Zen?
Nachdem ich schon mit 20 Jahren Zen-Bücher gelesen hatte, besuchte ich mit 30 meinen ersten Zen-Kurs. Als ich in den Raum mit den vorbereiteten Kissen trat wusste ich sogleich: das gehört zu meinem Leben. Seither praktiziere ich täglich Zazen.
Sie haben einen sehr vielseitigen Lebenslauf: Wirtschaftsstudium in St. Gallen, Studium der Psychologie am C.G. Jung-Institut und Tätigkeit als Psychotherapeut, Ausbildung und Funktion als Paar- und Familientherapeut, dann auch als Management-Coach, daneben Zen-Studien im Lassalle-Haus und in Japan, und Ernennung zum Zen-Lehrer im 2010. Wo sehen Sie die Verbindungsglieder zwischen diesen Etappen?
In der Rückschau habe ich den Eindruck, dass mich die Lebenskräfte zu einer bewussten Begegnung und Auseinandersetzung mit den wichtigen Ebenen des Menschseins geführt haben: der materiellen, der seelischen, der sozialen und der spirituellen Dimension. Zen hat mir zudem geholfen, die Einheit dieser Ebenen und damit allen Seins zu erfahren.
Vor drei Jahren haben Sie ein Zendo in Stäfa eröffnet. Was hat Sie dazu bewogen?
Nachdem ich von Niklaus Brantschen die Befugnis als Zen-Lehrer erhalten hatte, war es mir ein Anliegen, den Geist und die Kraft des Zen weiterzutragen. Eine leerstehende Scheune neben meinem kleinen Haus in Stäfa bot sich geradezu an, darin ein Zendo zu verwirklichen. Das Zendo Stäfa ist zu einem kleinen Ableger des Lassalle-Hauses geworden.
Sind Sie zurzeit eher im Zendo anzutreffen oder mehr als Coach tätig?
Die letzten 25 Jahre war in beruflich selbständig, und nach einer Übergangsphase habe ich mich vor kurzem entschlossen, meine Kräfte nun ganz der Funktion als Zen-Lehrer zu widmen. Das schliesst neu auch Sesshin und andere Zen-Kurse im Lassalle-Haus mit ein.
Sie lieben klassische Musik, spielen selber Orgel – ist das Ihr Ausgleich zu der Stille im Zen?
Manche Musik weist in die Tiefe wie Zen – und wenn die letzten Töne verklungen sind, entsteht die gleiche Dichte, wie wir sie im Zazen erfahren. So ist mir die Musik ebenso Ausgleich zur Zen-Übung wie Ausdruck des Zen-Weges.
Für die Leute, die dieses Jahr zum ersten Mal zu Ihnen ins Zen kommen: auf welche Risiken und Nebenwirkungen müssen sie sich gefasst machen?
Zen ist ein Heilmittel, das ist die Hauptwirkung. Das Risiko lautet: „Achtung – Ihre Persönlichkeit könnte sich verändern“. Aber darum geht es ja gerade: wir kommen auf dem Zen-Weg mehr und mehr zu uns selbst. Und die Nebenwirkungen sind die Wellen, welche durch jedes ernsthafte Bemühen verursacht werden.
Herzlichen Dank für das Gespräch und einen guten Start im Lassalle-Haus!