08.10.2012 14:22

Lichtkuppel und Lebensquelle - Grabstätten von Heiligen im Islam

Catherine Touaibi

Zur Eröffnung der aktuellen Ausstellung im Lassalle-Haus « Lichtkuppeln und Lebensquellen - Grabstätten von Heiligen im Islam» begrüsste die Fotografin Catherine Touaibi mit einer eindrucksvollen Rede. Die Ausstellung ist noch bis 10. Februar zu sehen.

Sehr geehrte Gäste,
Als Erstes möchte ich Ihnen herzlich danken, dass Sie zur Eröffnung dieser Ausstellung gekommen sind. Ein besonderes Dankeschön geht an Pater Rutishauser, der diese Ausstellung ermöglicht hat. Vom berühmten Sufi Dichter und Mystiker Rûmi stammen die folgenden Verse:

Komm, wer du auch seiest!
Wanderer, Anbeter, Liebhaber des Loslassens, komm.
Dies ist keine Karawane der Verzweiflung.
Auch wenn du deinen Eid tausendmal gebrochen hast,
komm nur, und noch einmal: komm.

Wenn heute vom Islam die Rede ist, so ist Ihnen sicher auch aufgefallen, dass das Thema Spiritualität tunlichst vermieden wird und immer die gleichen Bilder und Stereotypen auftauchen. Mir ist es wichtig, aus dieser limitierten Sichtweise auszubrechen, da sie sich meist auf ein paar Stichworte beschränkt und oft Misstrauen weckt. Und sie trägt sicherlich nicht zu einem besseren Verständnis bei. Es ist ja gerade die Spiritualität, welche die Beziehung zum Göttlichen nährt und unterhält. Sie ist es, die uns erlaubt, Mensch zu sein.

Die Ausstellung Lichtkuppeln und Lebensquellen eröffnet einen andern Blick auf den Islam. Ein Blick, der zum Wesentlichen vorstösst und dem Beobachter ein Eintauchen ins Heilige erlaubt. Die hier gezeigten Maqâm sind Grabstätten von Heiligen im Islam. Es können aber auch Orte sein, wo sie zu Lebzeiten verweilten, Orte des Lichts auf Erden, Spiegel der Sterne am Himmel. Jedes Maqâm ist einzigartig. Alle sind von Liebe und Frieden geprägt.

Mein Ansatz ist einfach: Ich möchte Brücken schlagen zwischen Morgen- und Abendland, aufzeigen, was uns verbindet – der Schönheit des Islams und seiner universellen Botschaft des Friedens Ausdruck verleihen.

Anlässlich einer Indienreise im Jahr 2003 habe ich die Grabstätten von Nizamudin Aulia und Hazrat Inayat Khan besucht und einige Erinnerungsphotos mit nach Hause gebracht. Ein paar Jahre später ging ich nach Marokko, wo ich andere Gräber besuchte. Von da an, folgte eine Reise auf die andere und ich lernte immer wieder ortsansässige Menschen kennen, die mich zu ganz besonderen Orten führten. Aus diesen Begegnungen hat sich das Thema der Maqâm wie von selbst heraus kristallisiert. 2008 wurde ich gebeten, eine Ausstellung für das hundertjährige Jubiläum der Tariqa Alawiyya an der Kharouba Universität von Mostaganem in Algerien für 2009 vorzubereiten. Seither hat sich eine Ausstellung nach der andern ergeben.

Und heute engagiere ich mich als Weltbürgerin mit meiner Photographie für eine friedlichere Welt.

«Gott ist schön und er liebt die Schönheit,» sagte der Prophet Muhammad. In der Tat sind einige der hier gezeigten heiligen Stätten ästhetisch und architektonisch beeindruckend. Denken wir z. Bsp auch an eines der bekanntesten Monumente in Indien, den Taj Mahal, der ja ebenfalls eine Grabmal ist.

Das Symbol der Kuppel (auf arabisch Kubba) verdeutlicht die unsichtbare Beziehung, die zwischen der Architektur eines Gebäudes (mit viereckigem oder rundem Grundriss) und dem Kosmos besteht. Der Kreis ist die Basis der Kubba und darüber erhebt sich die Kuppel, welche die Beschaffenheit des Himmels und der Erde wiederspiegelt (Emile Dermenghen).

Wir suchen die Grabstätte eines Heiligen auf, um Glück, Segen und spirituelle Inspiration zu finden. So gesehen ist der Heilige für uns nicht tot, sondern auf geheimnisvolle Weise lebendig, wie es im Koran heisst: "Und sagt nicht von denen, die für Allahs Sache erschlagen werden, sie seien tot; nein, sie sind lebendig; nur begreift ihr es nicht." (2, 154) Die Heiligen des Sufismus sind wahre Botschafter des Friedens und Vorbilder der Weisheit. Sie haben der Menschheit ein spirituelles Erbe vermacht, das 15 Jahrhunderte umfasst. Die Heiligen, auch Freunde Gottes genannt, übermitteln alle  dieselbe Botschaft, die uns immer wieder an universelle Werte erinnert, welche auch unser tägliches Leben inspirieren und leiten können, Werte wie : Liebe, Geduld, Hoffnung, Grosszügigkeit und Achtung für das Leben.

Hier möchte ich deshalb eine Parallele ziehen zwischen grossen Meistern der Weisheit wie Ibn Arabî (1165 – 1240), Rûmi (1207-1273) Imam Shâdhili (1197-1258) und dem Heiligen Franziskus von Assisi (1182 - 1226), sowie Moses Maïmonides (1138 – 1204) bis hin zu Meister Dogen, der in Japan den Sôtô-Zen eingeführt hat (1200 – 1253). Weshalb diese Verbindung? Weil all diese Meister nicht nur in derselben Epoche im 13. Jahrhundert gelebt, sondern auch dieselben Werte gelehrt haben.

Einige der Photos zeigen das Grabmal von Maulana Djalâl-ud-Dîn Rûmî. Rûmî, den Viele von uns dank seines berühmten Gedichtbands « Mathnawî» mit über 26'000 Versen kennen. Rûmîs Botschaft von Toleranz und Liebe ist bis heute lebendig geblieben. Auch sein Grab in Konya ist von diesem Geist durchdrungen und zieht jährlich über 1,5 Millionen Menschen an. Andere, ganz neue Photos, zeigen Mekka und die Medina. Alljährlich pilgern hundert Tausende von Frauen und Männern nach Mekka mit dem gleichen Ziel : Zu Gott beten und Gott lobpreisen. In diesen Bildern ist ihre religiöse Hingabe greifbar.

Auch Emir Abd el-Kader al Jazaïri (1808-1883) möchte ich noch erwähnen, einen hervorragenden Staatsmann, der in Algerien im Sufi Milieu erzogen wurde. Sein Maqâm liegt neben demjenigen von Ibn Arabî in Damaskus, Syrien. Emir Abd el-Kader al Jazaïri ist ein Modell an Geduld, Dialogbereitschaft und Menschlichkeit. Sein Verhalten war absolut vorbildlich, hat er doch 1860 in Damaskus 15'000 Christen das Leben gerettet. Dafür wurde Emir Abd el-Kader von der UNO in Genf posthum gewürdigt : Im November 2010 erhielt er den Preise für Toleranz von der Ousseimi Stiftung.

Die Photos in dieser Ausstellung sind mein persönliches Zeugnis verschiedener Reisen und Begegnungen aus der Sicht einer Frau. Doch die Präsenz, die man in den Grabstätten der Heiligen spürt, ist die gleiche Präsenz, die man auch an Pilgerorten im Westen vorfindet. Die Quelle ist ein und dieselbe.  

Ja, die Gräber sind Quellen der Hoffnung. Es sind Orte, wo wir uns erquicken können, weil wir in Kontakt treten mit dem Lebendigen.

Und zum Schluss noch eine Bemerkung über die Einheit der Religionen : Das Grabmal von Johannes dem Täufer – bei den Muslimen als Prophet Yahia bekannt – fordert uns auf, die Geschichte neu zu überdenken. Sein Grab befindet sich in der Moschee der Omeyaden in Damaskus, eine frühere Basilika, aufgebaut auf den Grundmauern eines römischen Jupitertempels. Vor 1000 Jahren haben hier Christen und Muslime ein halbes Jahrzehnt lang nebeneinander friedlich am gleichen Ort gebetet.

Nun möchte ich enden mit einem Zitat von Baba Taher, einem iranischen Sufi aus dem 11. Jahrhundert : «Einsiedler begnügen sich mit einer einzigen Mandel pro Tag. Aber ich, Baba Taher, ich werde mich mit Deinem Lächeln begnügen.»

Catherine Touaibi
www.touaibi.com

Die Foto-Ausstellung im Lassalle-Haus ist vom 7. Oktober 2012 bis 10. Februar 2013 geöffnet.

Die Fotos zur Vernissage finden Sie hier

Interview mit Dr. Christian Rutishauer zur Ausstellung im Lassalle-Haus

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