04.09.2014 14:52

30 Jahre Erholung im Lassalle-Haus – wie geht das?

Erholung

Eigentlich war ich damals 1984 nur dem Tipp eines Jesuiten gefolgt – sie hätten da ein «Bildungshaus Bad Schönbrunn» in der Schweiz. Neugierig war ich als Theologiestudentin aufgebrochen und erinnere mich noch gut an meinen ratlosen Blick, als ich dann etwas einsam an der Bushaltestelle «Bad Schönbrunn» neben vielen hohen Bäumen stand. Als Willkommen nur Kuhglocken, für die Grossstädterin auch eher ungewohnt. Die blieben mir die folgenden Jahre als akustischer Besinnungseindruck... Gott finden in allen Dingen!
Immerhin habe ich danach gut in meinen Exerzitien-Kurs mit Atem-Elementen bei Pater Grätzer SJ und Christoph Mächler hineingefunden: Ein Atem fürs Leben. Der Beginn einer ganz grossen Liebe zum Haus. Seitdem habe ich viele Kurse besucht, einen grossen Lehrgang mitgemacht, an Reisen teilgenommen, zahlreiche Gottesdienste genossen – so weit das Äussere, die Statistik.

Erholung als innerer Seelenfaden
Das Innere meines Erlebens hier entfaltet sich inzwischen auch in blossen Ferienaufenthalten, die ich anhänge oder «pur» geniesse. Denn ich darf mir hier sehr viel er-holen. Eine Erholung, die zu meinem inneren Seelenfaden im Alltag geworden ist. Es sind die Menschen, die ich treffe, die mit mir auf dem Weg zu Gott sind. Oder ihren Lebenssinn suchen im Kontakt mit der Unendlichkeit. Wie es in einem vom Kursleiter Marcel Steiner zitierten Lied heisst: «...im Unendlichen siedle ich.»
Manchmal ist es nur ein Augenkontakt, der Beziehung schafft. Oft genug sind es die Gottesdienste, die frei angeboten werden: Sie verdienen in ihrer Schlichtheit und Schönheit den Namen Gottesdienst, ohne jemanden auszuschliessen. Hineingehoben in die Gemeinschaft mit Gott, den Nächsten und mit seiner Schöpfung. Die Seele betreffend, weckend, nährend. Wunderschöne, meditative Gesänge, oft mehrstimmig. Predigten auf den Punkt. Wahrheit ohne Umschweife.

DozentInnen, die sich einbringen und sich selbst geben
Den Rahmen des Hauses geben die Jesuiten vor mit dem ignatianischen Prinzip «Gott finden in allen Dingen». Aber in Freiheit für alle, die kommen möchten. Das Haus wird gestaltet nach christlichen und ökologisch verantwortlichen Prinzipien; der Dialog  der Religionen und die Verantwortung für das ganzheitliche Heil der Menschen weltweit stehen obenan. Und so bemühen sich alle um höchste Qualität: Erst einmal ein vielfältiges Kursprogramm, mit allen Sinnen. Die Kursleitenden sind gut geschult. Oft DozentInnen ihres Fachs. Sie haben etwas gemeinsam, so individuell sie auch sind: Wenn sie hier sind, dann geben sie nicht nur ihre Kompetenz und ihr Wissen: Sie geben sich selbst. Und sie lachen so gern mit uns! Die Teilnehmenden können entscheiden zwischen absoluter und tiefer Stille und Gespräch, Austausch, Begleitung. So, wie es jede/r braucht. Es freut mich immer, wenn sie während der Übungswochen einen immer strahlenderen Blick bekommen. Oder mit mir wortlos lachen.

Heilwasser und Kurluft
Körper und Seele werden als Einheit betrachtet: Ich geniesse das vorzügliche Essen, das immer von freundlichen Mitarbeitenden zubereitet und serviert wird. Allein das Heilwasser aus den vielen Hausquellen und die gepflegten Wasserflächen sind eine Reinigung für Leib und Seele. Der Körper kann sich bewegen in einem anmutigen und intensiv anregenden Parkgelände. Haben Sie schon einmal gesehen, wie Elstern auf einem Hügel den Satz des Pythagoras zwischen sich abstecken? Oder Mitleid gehabt, wenn ein kleiner Nachwuchslaubfrosch unter dem Türrahmen Schutz sucht? Erlebt, wie es ist, wenn sich ein Naturpark täglich und jahreszeitlich für Sie einkleidet? Wenn Sie Gott auf dem Sinai nacherleben, sobald der Donner über den Hügeln grollt? Wenn sich Ihr Lachen mit einem blökenden Schaf trifft und Ihr Weinen mit den Himmelstränen über die krumme Kiefer läuft? In der Stille kann ich Gottes Schöpfung in mich einlassen, vom Mikrokosmos der Libelle über Fische bis zum schwebenden Milan und einer hügel-krabbelnden Wolke. Und die Sonnenuntergänge über dem Zugerland sind immer ein «Event»! Ganz zu schweigen von der guten Kurluft: Atmen für Leib und Seele.

Lesen, schauen
Für die Seele, den Geist und das Herz bade ich dann in dem guten Bücherangebot, das immer den neuesten Lebens- und Religionsfragen entspricht, auch und gerade im Bereich Mystik. Oder mehr der östlichen Spiritualität geschuldet. Oder eben in der Tageszeitung oder engagierten Printmedien. Ein wohltuender Kontrast: Lesen unabhängig von Unterbrechungen.
Schauen kann ich auch mit grossem Gewinn die immer gut ausgesuchten Ausstellungen im Haus. Ein Haus, das ja an sich schon ein architektonisches Kleinod ist. Erinnern kann ich mich z.B. an japanische Kalligraphie, eine Kelim-Ausstellung einer türkischen Frauengruppe, an Holzskulpturen – aber nie nur ästhetisierende Impressionen, sondern immer mit der Anfrage an die Transzendenz.
Schauen bis ins kleinste Detail: Von Kunstpostkarten bis zu den Fotografien des Bruders Thür, von dem Blumenschmuck der Kapelle bis in das selbstbewusste Einzelblümchen auf dem Speisetisch.

Wenn die Stille zu wirken beginnt
Da gibt es eine Askese im besten Sinn: Kein Handy, Internet nur für den Notfall (eines für alle). Keine medialen Stricke wie Fernsehen, Radio, SMS, keine Musikbedröhnung! Stattdessen wieder mehr Wahrnehmung der Naturgeräusche, der Worte der anderen, der Stimmen und Regungen in mir.
Ich beginne zu schreiben, schreiben an mich selbst, schreiben an geliebte und geschätzte Menschen. Ausführlicher als das übliche «Viele Grüsse aus...». Mit mehr Bedacht für jedes Wort, mit Blick auf den Tautropfen vor meinem Fensterschreibtisch.
Wenn die Stille zu wirken beginnt, dann Gebete. Gebete in einem Zimmer ohne Ablenkung. Gebete in den schönen, erleuchteten Kapellen. Manchmal auch Kampf und Korrektur und Tränen an dem, was nicht stimmt in meinem Leben. Nach-wirkungen... Und immer in der Geborgenheit, dass das nächste helfende Ohr schon in der Cafeteria sitzen könnte oder nur ein Haustelefonat weiter.

Ich möchte wiederkommen
Liebe Lesende, verzeihen sie einer «liebenden» Frau am Ende das Pathos: Liebe Lassallianer, liebe Patres und Brüder, liebe Frauen des Katharinawerkes, liebe Mitgestaltende, Kursleitende, Langzeitgäste, Hausangestellte, Ehrenamtliche, Herzensengagierte, Blogger und Pilgergäste, liebe Tanzende, Singende, Schweigende, Lachende - Worte können nicht ausdrücken, was ich euch durch die vielen Jahre verdanke. Ihr seid für mich ein Teil des Reiches Gottes, ganz konkret.

Und am Ende meiner Aufenthalte weiss ich: Ich möchte wiederkommen, mein Seelenfünkchen weiter nähren. Meine Aktion des täglichen Lebens mit dem SEIN verbinden. Weil ich jedes Mal besser weiss, wer ich bin. Für Gott, für die Welt, für euch... und in mir.

Wie geht es Ihnen, liebe Lesende, mit dem Lassalle-Haus Bad Schönbrunn?

Pia Kutschera

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