14.01.2014 15:44

Bericht aus der Exerzitienwoche "Zwischen den Jahren" im Lassalle-Haus

Das Morgenrot wecken - Ein neuer Beginn

Den Exerzitien-Kurs zu buchen hat mich nicht etwa gereizt, weil ich Erholung und Ruhe benötigte oder weil ich in einer Krise war und nach Orientierung suchte. Da waren keine drängenden Sehnsüchte, wie etwa jene nach Stille, nach stundenlanger Meditation, wortlosen Mahlzeiten oder täglichen Eucharistiefeiern. Aber da war so ein Gefühl.
Es beschlich mich ein Gefühl, dass mich das im Kurstitel erwähnte Morgenrot etwas angehen könnte: Ich will das Morgenrot wecken (Psalm 108, 2-3), stand da. Das Morgenrot beendet die Nacht. Es ist das Zeichen eines neuen Tages, eines neuen Anfangs, symbolisch eines neuen Jahres. Aber ob das ICH das wecken konnte? Was war da gemeint? Darüber wollte ich mehr wissen.

Das Gefühl ergab ein Ja
Und da gab es dieses Gefühl in diesem besonderen Haus, dem Lassalle-Haus, mitten unter jenen Menschen, die ihm seit Jahren ein Gesicht geben. Die den Mut haben, Glaubensformen sich begegnen zu lassen und sie nicht voneinander zu trennen. Und Menschen, welche Ethik, Wirtschaft und Religion miteinander in Verbindung bringen – ein Bereich, mit welchem ich selbst lange Zeit zu tun hatte.
Das alles ergab ein Ja – ja ich wollte meinen ersten Exerzitienkurs hier erleben. Vielleicht waren es genau diese Voraussetzungen, ich benötigte nichts, ich war fasziniert und neugierig. Und es wurden sieben Tage tiefen Glücksempfindens im Glauben, im Erleben und im Sein.
Der Ablauf war fast täglich derselbe. Eine halben Stunde Bewegung mit Claudia Römmel noch vor dem Frühstück weckte die müden Glieder, ja weckten den Menschen. Kein Frühturnen, sondern ein empfindsames Bewegungserleben mit viel Sorgfalt sich selbst gegenüber. Sich im Gehen zu spüren, den Atem zu sich hin und von sich weg zu schöpfen, dann in den Raum und in den Tag zu tanzen. Jeder auf seine Art.

Antworten, auf die ich ein Leben lang gewartet hatte
In täglichen Meditationen und Eucharistiefeiern besprachen Bruno Brantschen SJ, Niklaus Brantschen SJ und Heidi Eilinger Themen, die die Teilnehmer unseres und Besucher eines gleichzeitig stattfindenden Zenkurses sichtlich berührten. Dass Menschen andere verletzen, um sich selbst zu schützen, nämlich dann, wenn Menschen Angst um sich selbst haben (Matthäus 2). Dass wir Gefühle annehmen, aber uns nicht von ihnen beherrschen lassen sollen (Jona 4). Das Morgenrot wecken (Psalm 108,2-3) wurde deutlicher: es meinte wohl, dass die Hoffnung Gottes zu unserer Hoffnung wird. Dass wir hoffnungsvoll auf Neues zugehen. Ganz erstaunlich schien sich während der ganzen Woche zu fügen, dass jeweils genau jenes Thema angesprochen wurde, welches mich betraf (sicherlich auch die anderen) oder über welches ich schon seit langer Zeit nachdachte – und ich erhielt Antworten, auf die ich ein Leben lang gewartet habe.
Im täglichen, persönlichen Gespräch kamen Themen zur Sprache, die mich berührten. Wer ist Gott? Welche Wege soll ich gehen? Was hat es auf sich mit den Worten Sünde und Gott fürchten? Ich liess nichts aus. Auch Andreas Schalbetter SJ begleitete einen Teil der Teilnehmer. Die meiste Zeit jedoch sassen letztere in stiller Meditation, in der Kapelle, im Zimmer, in der Natur. Vertieft in Bibellektüre oder schreibend, oder meist mit geschlossenen Augen still sitzend, kniend, mehrere Stunden lang. Ich erlebte, dass es manchmal eine Stunde dauerte, bis die wirren Gedanken verschwunden waren, und ich mit Gott verbunden war. Es hat sich immer gelohnt, durchzuhalten.

Die richtige Zeit

Nachmittags und nach dem Nachtessen erlebte ich wiederum das grosse Geschenk von Claudia und ihren Anregungen für weitere Bewegungsmöglichkeiten. Da gab es Entdeckung, Freude, Stille, Körperlichkeit, Musik, Gemeinschaft, Innen-Aussen: jede Übung, jedes Thema, jeder Tanz wurde zur beglückenden Erfahrung. Danach versammelten sich alle noch einmal in der Kapelle für eine stille Meditation. Ich hatte den Eindruck, nichts könne intensiver sein, als die Verbundenheit all dieser Menschen in stiller Gemeinschaft mit Gott, nachts in einer kleinen Kapelle.
Mein erster Exerzitienkurs hat mir gezeigt, dass Gottes Präsenz sich anfühlt wie zuhause sein und Meditieren, Beten und achtsames Bewegen so natürlich ist wie Atmen und Schlafen. Auf die Glaubenskrise habe ich vergeblich gewartet. Ich habe mich entschlossen, den schönen Verlauf nicht zu hinterfragen. Es kam mir vor, als hätte ER gewirkt: „Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit“ (Prediger 3, 1-2). Und für diesen Kurs war es genau die richtige Zeit.

Pia Zeugin

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